Nun waren wir wirklich im tiefsten Ende der Waldwildnis angelangt. Keine Pfade oder Wege leiteten uns und um uns war nur das ewige, dunkle Grün der Wälder. Wir versuchten uns am Fluß zu halten, doch bald hatten wir eine schwierige Entscheidung zu treffen, denn wir fanden Fußspuren von schweren Stiefeln, die aus den Tiefen der Wälder kamen – allerdings würden sie uns vom Fluß wegführen, falls wir ihnen zu ihrem Ursprung folgen würden.
Nach kurzer Besprechung entschieden wir uns das Wagnis einzugehen und den Spuren zu folgen und einen langen Tag der Mühsal durch das Unterholz lang konnten wir den Spuren folgen. Wie sehr wir von jeglicher Zivilisation entfernt waren zeigte sich in der Nacht, als ein Bär in Rondrigas Rucksack wühlte, doch zum Glück ließ er sich schnell vertreiben und am nächsten Tag konnten wir die Spur der Stieflabdrücke erneut aufnehmen. Sie führte an einen kleinen Weiher, neben dem ein kahler Baum stand. Seltsamerweise lagen ein Köcher mit Pfeilen unweit des Ufers und als wir unser Wasser auffüllen wollten, begann der Baum ein gruseliges Eigenleben zu entwickeln und nach uns zu schlagen. Es dauerte nicht lange under der lebendige Baum stand in Flammen und knisterte leise vor sich hin, als wir eine Gestalt entdeckten, die aus dem See heraus kam. Sie stellte sich als Wassernymphe „Marandel“ vor und wirkte scheu und vorsichtig. Sie gab an, dass vor einiger Zeit ein paar Soldaten hier am Weiher gewesen wären und der Baum auch sie angegriffen hatte – dann waren sie von einem anderen Wesen in den Teich gelockt worden, und waren nun dort gefangen – genau so, wie viele andere auch.
Hatten wir die Spur der nostrischen Soldaten gefunden? Marandel gab nach unserer Beschreibung auch an, dass sich Seffel in dem Feenreich unter dem Weiher befinden sollte und so beschlossen wir mit der Hilfe der Nymphe ebenfalls in dieses Reich vorzudringen. Ein behrzter Sprung in den Teich genügte und Marandel führte uns zu einem Spalt am Grund des Sees. Als wir hindurchschwammen und auf der anderen Seite wieder an die Oberfläche kamen, hatte ich für einen kurzen Moment das seltsame Gefühl, alles würde kopfüber stehen und das Ufer glich dem Ufer an dem wir aufgebrochen waren wie ein Ei dem anderen – selbst der kahle Baum stand am Ufer, doch waren wir nicht mehr in den Wäldern von Andergast, denn weit über uns wölbte sich nicht der Himmel, sondern ein Geflecht von Wurzeln und Ästen, durch die nur eine Erinnerung von Sonnenlicht hindurchschien. Waren wir in dem Reich, in dem die Wurzel allen Übels in Nostria und Andergast ruhte? Das Reich von dem wir auch schon Bilder in der güldenländischen Forschungsstation gesehen hatten? Es erinnerte mich zumindes daran.
Marandel, die mit uns gekommen war, war in dieser Welt kaum noch zu erkennen. Das schüchterne und zurückhaltende Wesen war hier eine stolze und herrische Frau, einem Abbild Rondras gleich, die uns befahl, den Krieg zu beenden, der hier schonseit langem tobte – sie gab uns noch eine kurze Wegbeschreibung zu einem Lager ihrer Getreuen und dann verschwand sie ohne weitere Erklärungen.
Wir sahen uns in dieser seltsamen Welt ein wenig näher um und fanden einen Turm ohne Eingang, der auf Boramil und Riga eine merkwürdigen Reiz ausübte. Beide wollten unbedingt hinein, obgleich es keinen Eingang gab. Vielleicht war es auch die Heimstatt von Marandel? Zum Glück fassten sich beide ein Herz und wir konnten den kleinen Wald verlassen, in dem der Turm und auch der Weiher lagen. Nun lag vor uns eine weite Ebene und unser Weg führte weiter, bis wir an ein Haus kamen, das nach Rigas Meinung al‘ anfanisch anmutete. Wieder waren es Boramil und Riga, die nicht ohne eine genauere Untersuchung weitergehen konnten. Und hier fanden sie dann tatsächlich einen Bewohner: ein Al‘ Anfaner namens Pelagion wohnte hier und gab an schon seit dem Jahr 980 oder so um den Dreh hier zu sein – er hatte kein Gefühl mehr dafür, dass das schon über 60 Götterläufe her war und auch er selbst schien noch nicht im hohen Alter zu sein. Die Zeit musste hier in Marandels Reich anders laufen als in unserer Welt.
Der Al‘ Anfaner erzählte Riga auch bereitwillig mehr von dieser seltsamen Welt, die schon seit Ewigkeiten von Krieg zerrissen war. Es schien, als würde Marandel einen Kampf mit einer anderen Fee ausfechten, die Lyranide hieß. Beide hatten ihre Streiter und ab und an kam es zu blutigen Kämpfen, doch die Gefallenen wurden von den Feen wiederbelebt und das schreckliche Geschlachte begann von neuem. Wie es schien waren wir nun die neuesten Streiter auf der Seite von Marandel und die Nymphe hegte die Hoffnung, dass unser Wirken hier eine Entscheidung herbeiführen würde.
War dies auch der Grund für den ewigen Zwist an der Oberfläche? War dies die Ursache des Hasses? Wir verstanden noch viel zu wenig über die Geschicke in dieser Feenwelt, doch wir waren gewillt alles herauszufinden.
Ich bin ein taubes Nüsschen!
Du bis ein taubes Nüsschen!
Wir alle sind taube Nüsschen!
Taube taube taube Nüsschen, yeah!
Wenn Freunde aus verflossenen Tagen
nach Jahren wieder auf den Ork einschlagen,
wenn man ganz still sein Streitross reitet,
das einem aus dem Diesseits geleitet,
wenn ein Schwert, das man gebracht,
besonders große Wunden macht.
Wenn einem also Gutes widerfährt,
das ist schon einen Aikar Uralt wert!
Im Aikar Uralt ist der Geist des Krieges!