Jeder von uns war konfrontiert mit einem Schrecken seiner Vergangenheit. Und wir alle litten unter den Erinnerungen, die uns bildlich gezeitg wurden – und es war Rondriga zu verdanken, dass wir nicht in diesen Alpträumen versanken. Ein Zauber und die Illusion war von unseren Augen weggewischt, doch was in Wirklichkeit dahinter steckte war nicht weniger alptraumhaft. Denn kaum war der Zauber gebrochen griff uns eine riesiges Insekt mit spinnenartigen Beinen und Klauen an und nur unter großen Mühen konnten wir die wilden Attacken abwehren.
Wir taten unser Bestes und schienen Erfolg zu haben, denn plötzlich zog sich das ekelerregende Wesen zurück und war verschwunden. Dafür kehrte Seffel zu uns zurück – er sagte, er hätte wieder zu sich gefunden und wollte uns im Kampf unterstützen. Er nahm Boramils Laterne und schleuderte sie fort und in diesem Moment wurde uns klar, dass wir erneut einer Illusion der Schabe erlegen waren, denn Seffel verwandelte sich in dieses abscheuliche Geschöpf und ihne das tröstende Licht von Boramils Laterne mussten wir nun in fast absoluter Dunkelheit gegen das Insekt kämpfen.
Es muss Glück oder göttliches Eingreifen gewesen sein, denn nach einem harten Kampf erlegte Riga schließlich das fürchterliche Insekt und wir kehrten schnell an die Oberfläche zurück. Zu unserer Freude sahen wir, dass die Kämpfe beendet waren und jeder in dieser Globule endlich wieder bei klarem Verstand war. Der Hass war besiegt – selbst Lyranide, die vor uns auftauchte schien von diesem Einfluss befreit und nachdem wir alles erklärt hatten machte sich neben der Erleichterung auch eine tiefe Betroffenheit breit. Lyranide fühlte sich schuldig so viel Leid und Elend über die Menschen gebracht zu haben und nun erfuhren wir auch endlich, was es mit Lyranide und Marandel auf sich hatte. Sie waren Schwestern gewesen und hatten diese Globule entdeckt. Sie hatten sie erkundet und waren bald dem Hass zum Opfer gefallen, den das ekelige Insekt am Grund der Globule wie ein Netz gewebt hatte. Im Zorn hatte Marandel Lyranide erschlagen und durch die Schuld dieser Tat und dem brodelnden Hass in ihrem Inneren hatte sie diesen ewigen Kreislauf von Krieg und Verderben erschaffen und in dieser Welt sich als Lyranide ausgegeben.
Ich war verwirrt – doch zum Glück konnten wir praktische Dinge angehen. Wir trommelten alle Bewohner der Globule zusammen und wenn Marandel auch niemanden zurück in die Zeit bringen konnte, aus der sie gekommen waren, so gab Marandel ihnen die Lebensjahre wieder, die sie hier in der Globule verbracht hatten und führte uns dann zurück durch den Teich in den Wald von Andergast. Hier trennten wir uns von den meisten Einwohnern der Globule und auch von Marandel. Nicht jedoch bevor wir der Nymphe einen Vorschlag machten die Globule für etwas Gutes zu verwenden – einen Ort der Heilung vielleicht. Eine Idee von der auch Seffel recht angetan war.
Wir verließen den Wald und kehrten nach Beilstatt zurück, wo wir Cordovan und unsere Reittiere auflasen. Cordovan hatte schon beinahe die Hoffnung auf unsere Wiederkehr verloren, denn während für uns nur Tage vergangen waren, waren es für Cordovan Monde gewesen. Mittlerweile war auch schon Sommer und die Tage waren lang und warm. Doch das brachte uns in Erinnerung, dass der Krieg gegen Teschkal vielleicht schon begonnen hatte und wir eilten nach Joborn, um dort Informationen zu bekommen und fanden sie bei Bruder Reitjan, dem Rahja Geweihten, der uns die schlimme Nachricht gab, dass der Krieg bereits vorbei war. Die Orks und Finsterzwerge hatten Teschkal erobert. Die Freifrau von Rothbaum war tot und ihre Tochter führte den Krieg nun als Partisanin fort – doch das Königshaus von Andergast machte keine Anstalten Teschkal zurückzuerobern.
Das war ein herber Schlag für uns. Wochen hatten wir versucht diesen Krieg zu verhindern und nun war er an uns vorbeigeglitten während wir in Marandels Reich waren – Techkal war gefallen und all unsere Mühen schienen vergebens. Und es kam noch schlimmer: Fina wirkte plötzlich als wäre sie aus einem Traum erwacht und konnte sich an die letzten Tag nicht mehr erinnern und das obwohl sie mit uns unterwegs gewesen war – zwar scheigsam, doch auf jeden Fall bei Bewusstsein. Ich bestand darauf, dass Bruder Reitjan einmal über den Zustand von Fina schaute und tatsächlich fand er, dass sie von einem höheren Wesen berührt war und daraus sich eine „Entrückung“ herleitete. Das höhere Wesen identifizierte er als die Halbgöttin „Mada“, was uns alle verwirrte, denn wir hatten mit Levthan gerechnet. Hatte nun eine weitere Halbgöttin Interesse an Safina entwickelt? Warum? Eine Frage, die wir nicht beantworten konnten.
Wir brachen weiter nach Andergast Stadt auf, denn wir wollten unser Erlebnis in der Globule mit Arbogast dem Alten teilen – unterwegs kamen wir in Eichhafen vorbei, wo ich mit Erleichterung feststellte, dass meine Mutter Jasmina Frantischek vor dem Krieg geflohen war und nun in Kendra im Grenzland zwischen Nostria und Thorwal sicheren Zuflucht gefunden hatte. Unseren Aufenthalt in der Hauptstadt hielten wir so kurz wie möglich, denn wir fürchteten noch immer, dass der König uns verhaften würde, wenn er erführe, dass wir in der Stadt waren, doch hier hatte ich einen seltsamen Traum – ein Traum von der Harpie Cassiera, wie sie nur mit knapper Not vor einem Angriff der Orks entkommen war.
Auf dem Weg zu Arbogast dem Alten nahmen wir wieder den Weg durch die Wälder und erzählten Seffel ein wenig von unseren Malen an den Armen und der Verbindung zu dem Riesen Gorwindor – und hier schien Seffel plötzlich sehr interessiert zu sein. Mit den Riesen und den Legenden um sie kannte er sich anscheinend aus und nachdem ich ihm beschrieben hatte, was ich von Gorwindor gesehen hatte, als ich einmal für einen kurzen Augenblick mit ihm verbunden war, konnte er schnell bestimmen, dass es sich wohl um den Riesen „9-Finger“ handeln musste – so zumindest der Name, den die Menschen ihm gegeben hatten.
Hatte mein Traum von Cassiera etwa mit dem Mal und unserer Verbindung zu tun? Wir gingen diesem Gedanken nach und ich versuchte Arianna zu erreichen, die ja auch mit uns das Mal teilte, doch ich bekam nur einen kurzen Blick zu sehen: Arianna, die auf einem Plateau stand und um sie herum Orks – und einer unter ihnen, vor dem sie Erfurcht empfand: ein Ork mit grauem Pelz und einem Raben oder einer Krähe auf der Schulter. Ich hatte schon Geschichten von „Aschepelz“, dem Tairach Schamanen gehört und jede davon gab mir eine Gänsehaut. Was hatte Arianna mit dem Schamanen zu schaffen? War sie seine Gefangegne oder seine Verbündete?
Als wir das Gebiet der „Eichstrammingen“ durchquerten hatten wir das Vergnügen auf die uns bekannte Tochter des Hauses „Rosshilde“ zu treffen. Die riesige Andergasterin war früher mit Arianna umhergezogen, doch nach unserer letzten Begegnung in Andergast Stadt schien sie die Gruppe um Arianna verlassen zu haben und war zu ihrem Landgut zurückgekehrt. Sie verriet uns, dass Arianna eine Expedition ins Orkland vorbereitet hatte – zu den Ogerzähnen und Rosshilde hatte von diesem wahnwitzigen Unterfangen abstand genommen.
Als wir Arbogast den Alten endlich erreichten und ihm von unseren Erlebnissen in der Globule berichtet hatten, schien der alte Sume erleichtert. Vielleicht war es uns tatsächlich gelungen den tief verwurzelten Hass in Nostria und Andergast zu lindern? Es mochte dauern, doch es bestand die Chance, dass wir den Einwohnern dieser Länder mehr geholfen hatten, als wir auf den ersten Blick dachten. Ein kleiner Trost für unsere traurigen Gemüter. Doch was sollten wir nun Unternehmen? Teschkal helfen? Mit Boramils Verwandschaft Kontakt aufnehmen? Oder sollten wir doch herausfinden, was Arianna und Aschepelz miteinander trieben? Doch zunächst lagen die namenlosen Tage vor uns und wir hofften, dass wir unter der Obhut von Arbogast einigermaßen heil durch den Jahreswechsel kommen würden.